Bundespräsidentschaftswahl 2016: Der nächste Stein am Schädel

Die anstehende Bundespräsidentschaftswahl wird eine weitere Etappe im Niedergangsprozess des traditionellen politischen Systems der Zweiten Republik und speziell der Sozialdemokratie darstellen.

Der Bundespräsident ist gemäß der österreichischen Realverfassung in erster Linie eine repräsentative Figur ohne viele Machtbefugnisse im politischen Alltagsgeschäft. Er soll die Funktion einer moralischen Instanz einnehmen. Heinz Fischer steht ganz und gar in dieser Tradition und verkörperte sie wie kaum ein anderer. Die Wahl zum Staatsoberhaupt war für die SPÖ als staatstragende Partei immer eine Art Ehrensache von größter Priorität.

2016 ist das ganz anders. Der Grund dafür ist schnell erklärt. Die Sozialdemokratie hat keine Persönlichkeit, die die Parteizentrale guten Gewissens ins Rennen schicken kann. Wenn Sozialminister Hundstorfer, der seit jeher das Image einer grauen Maus aus dem Apparat pflegt, plötzlich zur „politischen Lichtgestalt“ hochstilisiert wird, dann zeigt das mehr als deutlich, wie wenig Attraktionspotenzial die SPÖ nur mehr hat. Die niedrigen Umfragewerte für „unseren Rudi“ haben die zögerliche Haltung der Löwelstraße in dieser Frage wohl noch ordentlich verstärkt. Einzig und allein das Argument, dass der Gewerkschaftsflügel in Hundstorfer seinen Kandidaten sehen könnte und dementsprechend engagiert Wahlkampf betreiben würde, spricht für ihn. Aber selbst da überschätzt man wohl die Beliebtheitswerte des Sozialministers unter BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen maßlos.

Kein Wunder also, dass die angekündigte Kandidatur von Alexander Van der Bellen, dem ehemaligen Parteichef der Grünen, bei vielen linken bis linksliberalen SozialdemokratInnen fast schon Begeisterung auslöste. Nicht wenige Rote meinen, sie wollen den grünen Professor wählen, die SPÖ solle auf einen eigenen Kandidaten verzichten. Dabei steht Van der Bellen für eine liberale Wirtschaftspolitik, ist ein offener Apologet der EU und ihrer Austeritätspolitik und unterstützt das Freihandelsabkommen TTIP. In diesem Punkt zeigt sich, wie wenig die SP-Linke noch auf einem Klassenstandpunkt steht. Das vage sommerliche Versprechen Van der Bellens, er würde keine FPÖ-geführte Regierung angeloben und ein paar liberale Aussagen in gesellschaftspolitischen Fragen reichen schon, damit diese Teile der SPÖ in ihm einen Hoffnungsschimmer sehen. Auch wenn dies ein weiterer Beweis für die Unzufriedenheit großer Teile der SPÖ mit der Faymann-SPÖ und ihrem Ausverkauf in der Koalition mit der ÖVP ist, so zeugt es doch auch von der politischen Orientierungslosigkeit dieser Kräfte. Ihre oberste Prämisse ist es, im Rahmen des herrschenden politischen und ökonomischen Systems Auswege zu suchen und das „kleinere Übel“ zu wählen. Dies erscheint ihnen im Sinne ihres Verständnisses von Realpolitik immer noch die bessere Variante im Vergleich zur harten Knochenarbeit, die die Organisierung einer sozialistischen Kraft in der ArbeiterInnenbewegung bedeutet. An der Notwendigkeit einer sozialistischen Kraft die aktiv in der Arbeiterklasse interveniert führt jedoch kein Weg vorbei.

Diese Wahl wird wohl eine weitere Etappe im Auflösungsprozess der Sozialdemokratie markieren. Es ist offensichtlich, dass es der SPÖ-Spitze nicht mehr gelingt, politische Hegemonie in den eigenen Reihen herzustellen. Jedes Einknicken vor der ÖVP, jede Wahlniederlage, die zum Anlass genommen wird, die Spielräume in der Partei noch mehr zu verkleinern, indem man KritikerInnen mundtot macht, befördert diese Entwicklung.

Es gibt zweifelsohne GenossInnen, die darauf Antworten suchen. Das Grundproblem wird in der Großen Koalition gesehen, aus der es sich zu befreien gilt. Die konkreten Vorschläge sind aber konfuse Vorstellungen einer „progressiven Reformallianz“ mit den Grünen und den Neos oder eben eine Strategie, die auf eine Art Koalition oder Abkommen mit der FPÖ schielt. Während der rechte Flügel der SPÖ rund um Niessl offen Rot-Blau das Wort redet, bringen andere die Idee einer SP-Minderheitsregierung ins Spiel, die von der FPÖ geduldet werden könnte (wie das Kabinett Kreisky I im Jahre 1970). Der Slogan einer SP-Minderheitsregierung war ein wichtiges und richtiges Instrument in den Protesten gegen den Ausverkauf der SPÖ bei der Bildung einer Großen Koalition im Jahr 2006. Doch in den aktuell vertretenen Debattenbeiträgen werden zentrale Elemente der damaligen Forderung einfach unter den Tisch gekehrt: eine offensive Politik auf der Grundlage von Kernforderungen der Arbeiterklasse, und vor allem die Idee, dass sich eine solche Regierung auf eine mobilisierte ArbeiterInnenbewegung und Jugend stützen müsse, um gesellschaftlichen Druck für eine sozialistische Politik aufbauen zu können. Übrig von dieser Idee bleibt zehn Jahre später die Vorstellung eines Hinterzimmerdeals mit den Blauen, was ebenso reaktionär wie angesichts der gegenwärtigen Kräfteverhältnisse völlig illusorisch ist.

Das Problem der Sozialdemokratie sind nicht die fehlenden Koalitionsalternativen zur ÖVP, sondern vielmehr, dass nicht einmal ihr gemäßigter Reformismus unter den Bedingungen eines krisengeschüttelten Kapitalismus irgendwelche Resultate zeigen kann. Nur ein Bruch mit dem Reformismus kann einen Ausweg aus dieser politischen Sackgasse weisen, in der die österreichische ArbeiterInnenbewegung steckt. Doch es fehlt eine gesellschaftlich relevante klassenkämpferische Strömung, die darauf aktiv hinarbeitet. Mangels einer solchen Alternative wird auch 2016 eine Beschleunigung im Niedergang der Sozialdemokratie bringen. Die Bundespräsidentschaftswahl wird dabei nur eine von vielen Fragen sein, wo dies manifest werden wird.

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