Drei rote Pfiffe im Wald – Auf den Spuren der PartisanInnen in Kärnten

Die Berge im Kärnten südlich der Drau war im Zweiten Weltkrieg Schauplatz einer bewaffneten Widerstandsbewegung. Wir begaben uns auf die Spuren der PartisanInnen und durften dabei in eine außergewöhnliche Landschaft eintauchen.

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Wer Geschichte verstehen will, kann sich mit historischen Dokumenten, Fachliteratur, Zeitzeugenberichten und andere Quellen beschäftigen. Wer aber ein Gefühl für die Vergangenheit entwickeln will, das über bloßes Faktenwissen hinausgeht, muss die geschichtsträchtigen Orte aufsuchen und sich einen Eindruck von der Atmosphäre vergangener Zeiten machen. Das gilt ganz besonders für die Geschichte des Partisanenkampfes, der ganz entscheidend von den örtlichen Begebenheiten im Operationsgebiet, von der Beschaffenheit der Wälder und Berge und der Möglichkeit der Unterstützung durch die lokale Bevölkerung abhing.

Bei der Ankunft in Eisenkappel/Železna Kapla begreift man schnell, warum sich die ersten österreichischen Widerstandsgruppen im Sommer 1942 gerade hier aufhielten. Die Wälder im Seitental Leppen/Lepena sind üppig und bieten viele Verstecke, die selbst für das geübte Auge schwer zu entdecken sind. Mit Zdravko Haderlap haben wir einen scharfsinnigen Kenner der Region, der uns von seinem Vinkl-Hof rauf in die Berge führt und zentrale Orte des Widerstandes zeigt.

Allein der Vinkl-Hof ist schon eine Reise in die Region wert. Vom Vorabend stehen in der „Tenne“ noch die Bänke und die angebrochenen Weinflaschen, der Duft nach Heu kriecht in die Nase und der Hausherr, der nicht nur Bauer und Künstler, sondern auch historisches Gewissen der Region ist, kommt mit einer Flasche selbstgebranntem Slivo auf uns zu. Bei der Begrüßungsrunde gibts zum Aufwärmen auch für jeden ein Stamperl. Noch einmal werden unsere Schuhe auf ihre Geländetauglichkeit kontrolliert, dann starten wir in den Hudi-Graben. Immer wieder macht uns Zdravko auf Bäume oder Blumen aufmerksam, die sich am Rande des „bösen Baches“ ins Sonnenlicht räkeln. Mediterrane Pflanzen mischen sich hier unter die alpine Vegetation Südkärntens – das gemeinsame Vorkommen derart gegensätzlicher Arten ist äußerst selten. Außerdem zeugen die geologischen Spuren entlang unserer Route vom gewaltigen Aufeinandertreffen verschiedener Meeresböden aus längst vergessenen Zeiten.

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Die Berge sind seit dem Auseinanderfallen der Habsburgermonarchie von einer Grenzlinie durchzogen, die Österreich von Slowenien (früher Jugoslawien) trennt. Ein jahrhundertealter Wirtschafts- und Sozialraum wurde auf diese Weise künstlich geteilt, auch wenn die Beziehungen nie ganz gekappt wurden. Für die slowenischsprachige Bevölkerung hatte die Grenzziehung fatale Folgen. Der grassierende Deutschnationalismus, der unter dem Deckmantel des „Kärntner Patriotismus“ seit 100 Jahren sein Unwesen treibt, legitimierte die Assimilierungs- und Germanisierungspolitik. Diese Gesinnung gipfelte später in offener Unterdrückung, Vertreibung und Deportation. In Zdravko Haderlaps Erzählungen wird immer wieder deutlich, wie sehr die Wunden dieser Erfahrung bis heute schmerzen.

Die Kärntner SlowenInnen waren ab 1942 auch die treibende Kraft des Widerstands gegen den Nationalsozialismus in diesem Gebiet. Die Partisanenbewegung wuchs infolge der Deportationen und Verhaftungen von Kärntner SlowenInnen über die Jahre zu nicht unbeträchtlicher Größe heran. Um die tausend Männer und Frauen gingen „mit Geflüster und Brot in den Wald“*.

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So wurden aus den einst klerikal gesinnten Bauern und Bäuerinnen bewusste AntifaschistInnen, von denen viele eine Zukunft frei von Unterdrückung ersehnten. Die entlegenen Höfe mit den angrenzenden „Kašas“, Stadln und Marterln, umgeben von sanfthügeligen Weiden, steinalten Streuobstwiesen, dichten Wäldern und karstigen Felsen lassen ein wenig erahnen, wie das Leben hier einst gewesen sein muss. Die Natur hier ist schroff und wild, deshalb verlangt uns der Aufstieg einiges ab. Der abenteurliche Abstieg in eine Tropfsteinhöhle, in der eine Kolonie Feuersalamander beheimatet ist, macht die Strapazen auf dem alten „Gamssteig“ wett, über dem sich in schwindelerregender Höhe einst ein Waffendepot der Partisanen befand. Am Fuße eines Wasserfalls unweit des Weges liegt ein „Bunker“, wie die Verstecke der klandestinen KämpferInnen genannt wurden.

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Zdravko Haderlap gelingt mit seinen Ausführungen nicht nur die Darstellung des wichtigen politischen Beitrags des Widerstands gegen Krieg und Faschismus, er zeichnet darüber hinaus ein eindringliches Bild der Härten des Krieges, die inmitten dieser idyllischen Bergwelt um nichts geringer waren als auf den großen Schlachtfeldern. Ungeziefer, Hunger und Entbehrungen prägten den Alltag, der Tod war den PartisanInnen und noch mehr ihren UnterstützerInnen, die in den Dörfern agitierten, Informationen sammelten und Menschen organisierten, stets auf den Fersen.

Der symbolträchtige Ort für die Schrecken des Krieges und der nationalsozialistischen Terrormaschinerie ist der Peršmanhof, zu dem wir kurz vor dem Ende unserer Tour kommen. Das Massaker, das dort kurz vor Kriegsende an ZivilistInnen (darunter 7 Kinder) verübt wurde, ist ein grausames Exempel für die Verbrechen der Nazis. Zdravko Haderlap gelingt, selbst an diesem emotional aufgeladenen Erinnerungsort und frei von Schwarz-Weiß-Malerei, eine wahrheitsgetreue Darstellung der furchtbaren Dinge, die sich dort ereigneten. Das kleine Museum, das vom Partisanenverband betrieben und von Freiwilligen betreut wird, ist schon allein für sich genommen eine Fahrt nach Eisenkappel/Železna Kapla wert. Einzigartige Dokumente und Bilder machen diese Ausstellung zu einem besonderen Ort antifaschistischer Erinnerungskultur.

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Vom Peršmanhof aus erblickt man schon den auf einer Anhöhe liegenden Rieplhof. Von dort oben kamen einst die Männer, die das Massaker verübten. Unsere letzte Etappe führt uns diesen Weg hinauf, vorbei an entwurzelten Fichten – Sturmschäden der letzten beiden Jahre. An Diskussionsstoff mangelt es nach dem Museumsbesuch und den Erzählungen nicht. Der Gasthof Riepl bietet außerdem alles was es braucht, um diesen besonderen Tag in den Bergen abzurunden: eine gute Aussicht in die Karawanken, die im glühenden Licht der untergehenden Sonne erstrahlen und ein leckeres Abendessen mit Wild- und Pilzgerichten vom Feinsten.

Unsere Truppe war bunt zusammengewürfelt, aber nach diesem Wochenende ist klar, dass jeder von uns neue MitstreiterInnen kennengelernt hat. Und wohl nirgends kann man so gut Vertrauen zueinander aufbauen, wie bei einer gemeinsamen Bergtour…

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*Drei rote Pfiffe

Helena K. war unter dem Namen „Jelka“ als Partisanin an der Befreiung Österreichs vom Hitlerfaschismus aktiv beteiligt. Die Musikband „Schmetterlinge“ machte aus ihrer Geschichte folgendes Lied.

(„Jelka“ erzählt, wie sie damals
Jemanden den Weg zu den Partisanen
beschrieb“)

„Du, Leppen nach Hrebelnik drüben
Haben sie an Bunker, zwei Fichtenstämme,
und rüber haben sie so schön – von Fichten, diese Skorjen
(Ringe) drüber, dort wirst sehen. Aber du mußt pfeifen
(pfeift), dreimal mußt pfeifen, sonst ist Alarm.“

Im Kreis ihrer Enkel, die alte Frau
zeigt mit erhobener Hand
auf die Wälder, die dunklen, über der Drau:
Jetzt zeige ich euch euer Land.

Da droben, da hab ich geschuftet am Hang,
als ich ein Kind noch war.
bei der Christmette mit Glockenklang
hing Eis von Rock und Haar.

Die Bergknappen kamen vom Lindenwirt,
und flüsterten heimlich, mit List,
daß sich in der Welt was ändern wird,
nichts bleiben muß, wie es ist.

Verschwiegene Bäume.
Verschworener Wald.
Und drei rote Pfiffe, drei rote Pfiffe,
drei rote Pfiffe im Wald.

Die Drau hinunter trieb Mond um Mond,
es brach der Faschistenkrieg aus.
Da hatte ich dann einen Mann an der Front,
und hatte drei Kinder im Haus.

Wie tönte da markiger Nazigesang
von deutschem Boden und Blut.
Manch ein Bursch in die Berge entsprang.
Ich trug Flugblätter unter dem Hut.

Der Gestapo war kalt und der Gauleiter schalt:
Partisanen im eigenen Land!
Ich trug Geflüster und Brot in den Wald.
Sie haben mich Jelka genannt.

Verschwiegene Bäume…

Der Winter war nass und uns wärmte der Hass.
viele sind´s, die die Erde heut birgt.
Wir haben gefochten, da droben am Pass,
und an unsrer Befreiung gewirkt.

Der Krieg was vorbei, da war Stille im Land,
da waren die Lautesten leis,
sie nahmen das Hitlerbild von der Wand,
ihre Westen, die wuschen sie weiß.

Ihr, meine Enkel, was hört ihr so stumm
die alten, die kalten Berichte?
Jetzt trampeln sie wieder auf euern Rechten herum –
erinnert euch meiner Geschichte!

Verschwiegene Bäume….

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