Präsentation von „Meine 7 Väter“ auf der Leipziger Buchmesse

Bei der Leipziger Buchmesse wurde das Buch „Meine 7 Väter“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe auf der „Linken Bühne“ erstmals präsentiert.

„Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können.“ (Jean Jaures)

Dieses Buch handelt von solch großen Menschen, und es ist auch geschrieben worden für Menschen, die anderen Hoffnung geben wollen.

Angesichts der unmenschlichen Zustände in Flüchtlingslagern und auf den Fluchtrouten wurden im Spätsommer vergangenen Jahres in Deutschland und Österreich tausende Menschen aktiv und begannen an Bahnhöfen und an Grenzübergängen Schutzsuchenden zu helfen. Gar nicht so wenige fassten sogar den Entschluss, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, notfalls auch gegen Gesetze zu verstoßen, fuhren nach Ungarn, holten Flüchtlinge ab und versorgten sie bei sich zu Hause. Inmitten einer Gesellschaft, in der sich Elemente der Barbarei Schritt für Schritt Platz eroberten, wuchs plötzlich und deutlich sichtbar ein Pflänzchen der Menschlichkeit.

Die Menschen, die in diesem Summer of Hope aktiv wurden, werden sich in dem Buch „Meine 7 Väter“ wiederfinden – auch wenn die historischen Bedingungen natürlich nicht 1:1 vergleichbar sind. Es ist die Geschichte der Familie Cervi, einer Familie von Bauern aus der roten Emilia, die durch ihre Rolle in der Resistenza, dem Widerstand gegen den italienischen Faschismus und gegen die Besatzung durch Nazi-Deutschland, zu Symbolfiguren der antifaschistischen Bewegung wurden und dies bis heute noch sind. Die 7 Söhne der Familie Cervi gründeten die erste Partisanengruppe in dieser Region und gingen in die Berge, wo sie den bewaffneten Widerstand zu organisieren begannen. Ihr Märtyrertod im Dezember 1943 legte die Basis dafür, dass nach dem Krieg rund um ihr Schicksal ein Heldenmythos gewoben werden konnte. Auch wenn der Titel der deutschen Übersetzung die 7 männlichen Helden dieser Geschichte in den Mittelpunkt rückt, so wird doch von Anfang an klar, dass es Adelmo Cervi, dem Sohn eines der Brüder Cervi, nicht zuletzt darum geht genau diesen Mythos zu zerstören.

Er tut dies, weil er nur so auf seiner Spurensuche nach seinem Vater und seiner Familie zum Kern vorstoßen kann, weil er nur so die Persönlichkeit seiner Vorfahren entdecken kann.
Mit diesem sehr persönlichen Ansatz leistet das Buch aber auch einen politisch sehr wertvollen Beitrag. Anhand einer beeindruckenden Familiengeschichte und der Rekonstruktion eines besonderen Kapitels der Resistenza, einer der größten antifaschistischen und revolutionären Massenbewegungen des 20. Jahrhunderts liefert es auch wichtige Ansatzpunkte, wenn wir uns mit der Frage auseinandersetzen wollen, welche Voraussetzungen es braucht, damit Menschen Widerstand leisten. Neben objektiven Faktoren, zu denen auch die spezifischen Traditionen der sozialistischen und später kommunistischen Bewegung in dieser Region Italiens zählen, die gekennzeichnet ist durch eine Verbindung aus christlichem Glauben und der Perspektive einer Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, einem sozialen Umfeld, das zu Kooperation und Solidarität anhielt, weil nur dies das Überleben sichern konnte, kommen auch ganz bestimmte persönliche Eigenschaften hinzu. In diesem Fall sind es eine Reihe von Ressourcen, die über Jahrzehnte in dieser Familie reiften. Mut zur Veränderung, Streben nach Bildung und Fortbildung und die eigene wirtschaftliche Lage zu verbessern, ein Sinn für Ungerechtigkeiten, der trotz Einbindung in ein streng katholisches Umfeld, eng verbunden ist mit einer Aufmüpfigkeit gegen Autoritäten, Pflichtbewusstsein, das diese Menschen immer wieder in Widerspruch zur Willkürherrschaft jener bringt, die in der gesellschaftlichen Hierarchie über ihnen stehen.

Mehrfach wirft der Autor die Frage auf, was überhaupt die Resistenza ausgemacht hat. Dieser Widerstand war weit mehr als nur die bewaffneten Partisanen oder Stadtguerillas, die mit Sabotageakten, Anschlägen und Feuergefechten für die Befreiung kämpften. Dieser Widerstand war eng verbunden mit der Hilfe für Schutzsuchende, für entflohene Kriegsgefangene, Deserteure, politische Gefangene, Partisanen… Dieser Widerstand stützte sich auf ein weitläufiges Netzwerk an Menschen, die Botschaften überbrachten, illegale Zeitungen und Flugblätter verbreiteten, politische Schulungen abhielten, Menschen versteckten und versorgten. Gerade diese Seite des Widerstands war oft von Frauen getragen. Und so kommt auch in diesem Buch der Rolle von Frauen ein bei weitem größeres Gewicht zu, als es der Titel vermuten lässt.
Wenn die illegale antifaschistische Bewegung wie ein Netz ist, dann riss dieses Netz auch immer wieder und musste an anderer Stelle neu geknüpft werden, wie Silone schrieb. Die Cervis waren Meister dieser Knüpfarbeit, bis die Faschisten das Netz genau dort zerschnitten, wo sie selbst tätig waren.

Heute ist im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik viel von Obergrenzen, übermäßigen Herausforderungen bei der Betreuung von Flüchtlingen die Rede. Die Cervis kannten das Wort Obergrenze nicht. Sie waren bereit alles zu geben und zu teilen, was sie hatten. Sie wussten, dass sie damit ihr Leben aufs Spiel setzten, dass sie in den Kerker oder ins KZ kommen, ihre Familien vielleicht nie mehr wieder sehen werden. Trotz alledem haben sie bis zum letzten Atemzug Haltung bewiesen.

Das Buch will den Mythos dieser ersten Partisanen zu Fall bringen, aber trotzdem wird bei der Lektüre klar, dass die Cervis zu jenen Giganten der Arbeiterbewegung gehören, auf deren Schultern auch 70 Jahre später noch Generationen von Linken ihren Kampf um Befreiung führen können.

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